Das Betauchen der Deutschen Flotte aus dem ersten Weltkrieg stand schon lange auf dem Programm. Umfangreiche Vorbereitungen, Gasplanungen, Besorgung von Wrackplänen, der Transport des Equipments und vieles mehr machten diese Reise zu einem sehr aufwendigen Erlebnis. Zu zwölft verbrachten wir dann Ostern 2011 in Schottland, um uns allen einen Traum zu erfüllen.
Tag 1 – Donnerstag 21.04.11
Um 05:00 ging die Fahrt endlich los. Vollgepackt bis unters Dach mit der Ausrüstung von 12 Tauchern erreichten wir unser erstes Zwischenziel Amsterdam, wo wir auf der Fähre „Kopenhagen“ der DFDS Seaways in Richtung Newcastle einschifften. Überrascht hatten uns auf der Fähre eine Gruppe Schotten im Kilt. Erschreckend dabei war eigentlich nur das, was der Wind auf dem äußeren Deck zeitweise offenlegte....Wir beschlossen, die Zeit zu nutzen, um nochmals die Pläne der zu betauchenden Wracks zu studieren. Mit Hilfe unterschiedlicher Literatur suchten wir die vielversprechendsten Penetrationspunkte für unsere Tauchgänge am Scapa Flow heraus.
Tag 2 – Freitag 22.04.11
Nach einer ruhigen Nacht kamen wir pünktlich um 9.00 Uhr in Newcastle an und fuhren auch gleich von der Fähre. Wer hatte sich eigentlich diesen Links-Verkehr einfallen lassen? Die ersten Kilometer (oder waren es Meilen?) gingen ziemlich zügig. Allerdings wurde die Freude über das schnelle Vorankommen ab der Grenze zu Schottland gebremst: keine Autobahn, nur noch einspurige Landstraßen mit wenig Überholmöglichkeiten. Gesäumt wurde der Weg von Wiesen, Schafen, Zäunen und noch mehr Schafen. Und natürlich auch: Schafen. Das war das monotone Bild bis Scrabster, der Ablegestelle unserer zweiten Fähre nach Stromness. Gegen 21 Uhr erreichten wir die Tauchbasis "Diving Cellar" in der wir von Leigh und Douggy freundlich begrüßt wurden. Nach unserem Einzug in das zugehörige Appartementhaus trafen wir auf Jochen und Peter, die kurz vor uns mit dem Flugzeug angekommen waren. Ein erstes gemeinschaftliches Abendessen und der erste Kontakt mit den Besonderheiten der schottischen Küche rundeten den Tag ab.
Tag 3 - Samstag 23.04.11
Gegen 10.00 Uhr begannen wir die „John L.“, einen umgebauten Schlepper zu beladen. 12 Doppelpakete, 14 Stages, Gase und die erste Ausrüstung für 6 Tage Tauchen mussten an Bord. Nachdem Douggy am Nachmittag unsere restlichen 8 Mittaucher vom Flughafen Kirkwall abgeholt hatte, verluden wir zusammen bei ersten Regenfällen das restliche Equipment und bereiteten alles für den ersten Tauchgang vor. Bei einem lustigen Abendessen im Stromness-Hotel hatten alle Beteiligten nochmals die Möglichkeit sich persönlich kennen zu lernen und die Buddy-Teams für den nächsten Tag festzulegen.
Tag 4 – Sonntag 24.04.11
Gegen 9:00 Uhr verließen wir den Hafen von Stromness in Richtung SMS Dresden II, unserem ersten Wrack dieser Reise. Der in ca. 36m Tiefe auf der Backbord-Seite liegende leichte Kreuzer der Köln-Klasse ist entgegen sämtlicher Beschreibungen in der Literatur in einem verhältnismäßig schlechten Zustand, bietet aber auf Grund der Bergungsschäden diverse Penetrationspunkte. Das Wrack selbst war jedoch sehr empfindlich, falsche Flossenbewegungen wurden sofort mit Silt und noch schlechterer Sicht bestraft. Nach einem kleinen Mittagssnack an Bord machten wir an der Dresden unseren zweiten Tauchgang des Tages, wobei hier die Sichtweite ebenso schlecht war wie beim Ersten. An unserem Scapa Debut wurden wir immer wieder von kurzen Schauern überrascht, hatten jedoch eine unerwartet ruhige See.
Tag 5 - Montag 25.04.11
Der Tag begann um 07.15 Uhr mit Marlene. Die waschechte Schottin mit unendlichem Mitteilungsbedürfnis kredenzte uns täglich ein original englisches Frühstück. Nach Bacon, Beans, Eggs und wirklich sehr wundersamen Würstchen verließen wir unsere Unterkunft in Richtung Hafen und diesen dann mit dem Ziel SMS Cöln II. An dem mit der SMS Dresden II baugleichen kleinen Kreuzer war trotz der steuerbordlage die Orientierung einfach möglich. In unseren zwei Tauchgängen kamen wir an der Brücke, den beeindruckenden 15 cm Geschützen und diversen Aufbauten vorbei. Mit Hilfe eines Reels drangen wir in die Offiziersräume und die unten liegenden Decks vor. Die recht ordentliche Sicht an diesem Tag und der weitestgehend gute Zustand des Schiffes hoben die Stimmung der Mannschaft ebenso, wie die Hotdogs zur Mittagszeit im Cafe des Marine Museums. Gegen 17.00 Uhr brachte uns unser Skipper James bei besser werdendem Wetter nach Stromness zurück.
Tag 6 - Dienstag 26.04.11
Nach einem kollektiven Würstchen-Streik am nächsten Morgen fuhren wir für zwei weitere Tauchgänge an die SMS Brummer. Bei ruhiger See und strahlendem Sonnenschein konnten wir uns auf den Tauchgang an dem Minenkreuzer vorbereiten. Zunächst verschafften wir uns einen Überblick über das 135 Meter lange Wrack und suchten geeignete Penetrationsstellen für den zweiten Tauchgang. Auf Grund der Enge in den Aufbauten und den Decketagen beschlossen wir, die geplante Penetration ohne Bottom-Stages durchzuführen. Wie bei den Tauchgängen vorher war es jedoch erneut notwendig, eine Führungsleine zu verlegen. Hierbei stellten wir wieder fest, wie marode das Stahlungetüm am Meeresgrund eigentlich war: massiv wirkende Stahlteile brachen beim Festmachen der Leine einfach ab und hinterließen nichts außer einer Staubwolke. Umso sorgfältiger wählten wir also die Fixpunkte aus, die uns den Weg aus dem Wrack zeigen würden. Nach einem interessanten TG der uns in die Offiziersunterkünfte führte und an der Kommandobrücke endete fuhren wir zurück nach Stromness.
Im Hafen angekommen begannen wir unverzüglich einige Doppelgeräte und Stages für den nächsten Tag mit Mischgas zu füllen, um die SMS Markgraf sicher betauchen zu können. Ach ja, hier sei angemerkt das man im Scapa Flow mit Luft, maximal mit einem „dünnen“ Nitrox taucht. Keiner der anwesenden Schotten konnte nachvollziehen, warum die verrückten Deutschen Trimix in ihre Flaschen füllten, bei nur 42 m und 45 Min BT….von Standardgasen hatte auch noch keiner was gehört. Sei‘s drum, die Verfügbarkeit von Helium ist entsprechend schlecht und eine Vorausbestellung war deshalb zwingend erforderlich.
Tag 7 - Mittwoch 27.04.11
Der nächste Tauchgang war unser erster an einem Schlachtschiff der Königsklasse. Das Oberdeck der kieloben liegenden SMS Markgraf erreichten wir in ca. 42 m Tiefe. Unser Team folgte der Kohlespur unter das Deck, vorbei an den mächtigen Geschützen in das Innere des Schiffes. Leider war die Grundzeit viel zu kurz, um wirklich weit vorstoßen zu können. Interessante Einblicke erhielten wir trotzdem und nach einer ausgiebigen Deko erreichten wir wohlbehalten die John L. Nach der obligatorischen Mittagspause in der Kantine des Scapa Flow Visitor Centre auf der Insel Hoy liefen wir zum nächsten Tauchgang, diesmal am leichten Kreuzer SMS Karlsruhe, aus.
Wider unseren Erwartungen barg das Innere des Wracks viele interessante Details und wir konnten trotz der starken Zerstörung eine beachtliche Penetrationstiefe erreichen. Während des Tauchgangs trafen wir noch auf einen Seehund, der über unser Erscheinen ebenso verwundert war, wie wir über seins. Leider dauerte die Begegnung nur einige Sekunden, und der großartige Schwimmer verschwand im Grün der Nordsee.
Tag 8 - Donnerstag 28.04.11
Wir hatten kurzfristig unsere Pläne am Vortag geändert und beschlossen zwei weitere Tauchgänge an einem der großen Schlachtschiffe der Königklasse zu machen. Wir entschieden uns für die Kronprinz Wilhelm, da sie aufgrund der kommoden Durchschnittstiefe von ca. 33 m, längere Grundzeiten und somit bessere Eintauchmöglichkeiten versprach. Begünstigt wurde dies durch massive Bergungsschäden am Rumpf. In zwei Tauchgängen erkundeten wir einen kleinen Teil des Schiffsinneren. Bei einer Gesamtlänge von 175 m könnte man vermutlich Monate in dem Wrack tauchen und würde stets etwas Neues entdecken. Die zwischenzeitlich schlechter gewordene Sicht außerhalb des Rumpfes kümmerte uns wenig und wir kehrten sichtlich zufrieden in unsere Unterkunft zurück. Bei Pizza, Fish & Chips und Christmas-Cake errichteten wir bis spät abends eine beeindruckende Bierdosenhalde, die selbst Marlene am nächsten Morgen ein erstauntes „Oh Dear“ abrang.
Tag 9 - Freitag 29.04.11
Schon war unser letzter Tauchtag angebrochen. Einige Mitglieder unsrer Gruppe fuhren mit dem Tauchbasis Bus nach Krirkwall um dort die Stadt und eine Whisky- Destillerie zu besuchen. (Anm. d. Verf.: seitdem fehlt dem Bus der rechte Außenspiegel :-). Der Rest von uns füllte nochmal seine Tauchgeräte und fuhr zu dem deutschen Flottenbegleiter F2. Der Tauchgang an diesem Geleitschiff und an dem nebenan liegenden brit. Bergungsschiff YC 21 gestaltete sich einfach und unkompliziert. Die geringen Tauchtiefen erlaubten uns eine ausgiebige Besichtigung der beiden Wracks inkl. der gut erhaltenen 10,5 cm Geschütze. Nach dem obligatorischen Mittagssnack liefen wir in Richtung Burra Sund aus, um der „Gobernator Bories“, einem der Blockschiffe, unseren Besuch abzustatten. Ein kurzes Zeitfenster während des Gezeitenwechsels ermöglichte uns eine Tauchzeit von knapp 60 Minuten.
Bei recht guter Sicht ergab das mit Kelp bewachsene Wrack ein brauchbares Photomotiv. Zum Ende des Tauchganges hatte die Strömung bereits deutlich zugenommen und wir beeilten uns, schnell wieder an Bord zu kommen. Gegen 16.30 Uhr erreichten wir den Hafen von Stromness, demontierten unsere Doppelgeräte und verluden unser Equipment in den Tour-Bus. Während der Rest der Gruppe am nächsten Tag mit dem Flugzeug nach Hause reiste begann für das Fahrteam noch am selben Abend die Rückreise. Nachdem man unser Auto am Hafen von Kirkwall nach eventuellen Sprengkörpern(!) gefilzt hatte, rollten wir auf die Fähre, die uns im Nachtsprung nach Aberdeen brachte.
Tag 10 &11 – Samstag 30.04.11 und Sonntag 01.05.11
Bereits früh morgens reisten wir durch monotone britische Landschaft nach Newcastle und schifften uns erneut in Richtung Holland ein. Bei starkem Gegenwind verfassten wir am Abend die ersten Zeilen dieses Berichtes und erreichten am Sonntagmorgen fast pünktlich Amsterdam. Die Fahrt nach Hause verlief ohne nennenswerte Ereignisse und am frühen Abend hatten wir die Frankenmetropole Nürnberg erreicht.
Alles in Allem war es eine gelungene und erlebnisreiche Reise mit einer wirklich unkomplizierten Tauchtruppe und nahezu einer Woche Sonnenschein auf den Orkneys! Das Ziel Scapa Flow bietet für gut vorbereitete Taucher ein interessantes Spektrum an faszinierenden Wracktauchgängen. Der logistische und organisatorische Aufwand im Vorfeld war jedoch ebenso bemerkenswert wie die Herausforderungen, die das Tauchen in nahezu 100 Jahre alten Schiffen in der Nordsee bereithält.
Für Wrackenthusiasten ist Sacpa Flow ein absolutes Muss. Nur die Würstchen, die sollte man vermeiden….
Weitere Bilder gibt es bei Facebook
Text: Thorsten Pettera & Jochen Grau
Bild: Jochen Grau
Veranstalter: tauchausflug.eu